Freitag, 31. Oktober 2008

Leben und Tod







Morgen tragen wir einen jungen Mann zu Grabe - 31 Jahre jung... Wie rasch überschreiten wir die Grenze zwischen Leben und Tod.






Stille legt sich in diesen Wochen über die Felder, die Wälder und Wasser. Das Summen des Altweibersommers, das letzte Tirilieren, die Betriebsamkeit unter den letzten warmen Sonnenstrahlen hat ein Ende gefunden. Wir atmen Nebelluft und sehen den endlosen Regenschauern zu. Die Luft ist rau und wir fliehen sie in unsere warmen Zimmer hinein. Kerzen leuchten jetzt auf und die Gedanken gehen seltsame Wege. Viele Menschen sorgen sich um die Gräber ihrer Lieben. Unsere Herzen atmen Abschied, suchen Trost und Geborgenheit. Heute gehen wir einen schweren Weg gemeinsam. Wir trauern um Tobias Winkler. Wir legen seine Asche ist Gottes Erde zurück. Heute ruhen unsere Hände, es gibt nichts mehr zu tun, der Schmerz ist so unausweichlich. Diese alte Wulkower Kirche und der alte Kirchhof sind uns heute Zuflucht. Generationen von Frauen, Männern und Kindern suchten diesen Ort auf in Zeiten der Trauer, der Angst und des Abschieds. Sie kamen wie wir heute und die Fragen bohrten nach dem Wozu und dem Wohin. Und schnelle Antworten fielen und fallen schwer. Im Angesicht des Todes muss uns wohl die Schlichtheit des Vertrauens und des Glaubens genügen. Auch wenn unsere Augen gehalten sind und unser Verstand es nicht zu fassen vermag: Es gibt wohl ein großes göttliches Wirken – ein Wirken, das unsere menschlichen Grenzen sprengt – weiter reicht bis über die Endgültigkeit des Todes hinaus. Auch wenn ich Leib und Leben verliere, du, Gott, hältst mich; du bleibst mir für immer! Tobias hat im Laufe seines nach unseren Maßstäben viel zu kurzen Lebens sehr intensiv nachgedacht über die Läufe dieser Welt, über Woher und Wohin, über Grundfragen des Lebens. Dabei wurde ihm – gleich den alten Weisen - wohl bewusst, dass sich Welten hinter unseren Welten verbergen, die der Mensch nur in einem Zustand der Stille, abseits von allem Getriebe betreten kann. Seine Liebe zu Japan mag wohl ein Schritt auf einem Weg gewesen sein, der ihn in diese Welten geführt hat. Christliche Mystik – das Bewusstsein eines großen Eingebundenseins – und Zen haben viele Erkenntnisse gemein.
Der große christliche Mystiker des deutschen Mittelalters Meister Eckhardt schrieb: Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht; mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge und ein Sehen und ein Erkennen und ein Lieben.
Wir wissen nicht, wohin unsere Seelen eines Tages gehen – nur schattenhaft ahnen wir und finden Trost. Zur Ruhe mag uns wohl kommen lassen – an diesem Grab und in den Tiefen der Trauer – ein schlichtes Vertrauen wie es Meister Eckhardt lehrte: ‘Wenn ich zurückkomme in ‘Gott’... Wenn ich in den Grund, in den Boden, in den Strom und in die Quelle der Gottheit komme, so fragt mich niemand, woher ich komme oder wo ich gewesen sei. Dort hat mich niemand vermisst.’ Oder mit dem Psalmisten gesprochen: Auch wenn ich Leib und Leben verliere, du, Gott, hältst mich; du bleibst mir für immer!

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